Вход

Регистрация
Главная
 
Историческая фамилия Винтер-Winter 
[ Новые сообщения · Участники · Правила форума · Поиск · RSS ]
  • Страница 1 из 1
  • 1
Форум » Разное » Афоризмы,поговорки,пословицы » Märchen
Märchen
AlexanderДата: Воскресенье, 10.08.2008, 13:24 | Сообщение # 1
Рядовой
Группа: Модераторы
Сообщений: 13
Статус: Offline

Kalt, grau, laut, hässlich, hektisch, erbarmungslos, viel zu lang: So soll der Winter in Berlin sein. Alles Quatsch

Es war einmal, zu einer Zeit, als niemand mehr staunte, weil das Ungewöhnliche Alltag geworden war auf der Welt und in Berlin, dass eine Frau und ein Mann in der Stadt einander liebten, es aber nicht sehen konnten.

Der Mann war sehr arm. Er konnte sich nicht einmal eine richtige Arbeitslosigkeit leisten. Im Sommer, wenn es zu heiß war, betrachtete er bläuliche Fotos, um sich abzukühlen und weil es nichts kostete. An einem Tag im Winter erzählte die Frau ihm, als er sie besuchte, ein Märchen, das sie noch von ihrer Großmutter wusste:

Manchmal versucht die Finsternis, nach Berlin zu gelangen, und immer dann wächst an einer verborgenen Stelle im Tiergarten, nahe am Wasser, eine besondere Pflanze, der Immerschimmer, und nur eine einzige davon. Wer die Pflanze findet, und sie mit Wasser und einem einigermaßen hellen Spruch vermischt, hat das Mittel gegen die Finsternis in der Hand. Die Mischung aber muss nicht nur gemacht, sondern auch gebracht werden. War die Finsternis auf dem Weg, so war das zweite Zeichen, dass eine einzige der Laternen auf den großen Kandelabern am Straßenrand des Großen Sterns aufhörte zu leuchten. Das war der richtige Ort und der Abend die richtige Zeit. War alles gemacht und gebracht, so floh die Finsternis wie verweht, und ein wundervolles Leuchten kehrte zurück in die Lichter von Berlin.

Nachdem sie die Geschichte zu Ende erzählt hatte, schüttelte die Frau vergnügt den Kopf und lachte, denn sie glaubte nicht an Märchen. Dann nahm sie vor einem Bildschirm Platz. Das silbrige Licht legte sich seidig auf ihr Gesicht, weich und kalt wie Schnee. Die Frau lebte im Osten der Stadt, seit jeher, und der Mann ging wieder nach dem Westen hin zu seiner Bleibe. Wie Eisberge glänzten die Glasfassaden von Bürotürmen und gewaltigen Einkaufsarchitekturen, und ein Frosthauch wehte aus dem Licht der S-Bahnfenster, während sie ruhig und hoch durch den Abend und seine Dunkelheiten fuhren.

In dieser Nacht erwachte der Mann. Es hatte geschneit, und eine sanfte Weite war über die Stadt ausgebreitet, aber das Wichtigste fehlte: die zarte, blaue Helligkeit, zu der sich der Schnee und die Nacht und die Lichter der Stadt sonst vereinen. Die Finsternis war auf dem Weg, und dies war das erste Zeichen, der erste Hinweis darauf. In der Morgendämmerung, die sich matt zu Tage brachte, machte der Mann sich auf die Suche nach dem magischen Kraut im Tiergarten. Er ging, von den Straßen mit Jagdnamen aus, in das kahle Gehölz und lief an allen Kanälen und Seen entlang durch den Schnee, der nicht glitzerte. An der stillsten Stelle im Tiergarten fand er schließlich einen Baum, um dessen Stamm herum der Boden aufgetaut war, als wäre die Erde erwärmt von Tieren darunter, die sich hierher auf den Weg gemacht hatten. Der Mann sah, dass an der nördlichen Seite des Baums kein Grund unter dem Schnee lag, vielmehr das dünne, schwarze Eis vor einem verborgenen Ufer. So fand er die Pflanze.

Als die Frau ihn später an diesem Tag besuchte, schlief der Mann. Auf seinem Tisch lag ein Zettel mit einem einigermaßen hellen Spruch und einem Becher voll Wasser und Zweigbruch, den die Frau fortgoss. Der Mann erwachte, und als er den leeren Becher sah und erschrak, begann es draußen erneut zu schneien. Dann fand die Frau ein letztes kleines Stück der Pflanze Immerschimmer, das auf den Boden gefallen war, und es war das seltenste Stück: das Gegenteil einer Gabelung, wenn zwei Zweige zu einem einzigen Zweig zusammenführen. Mit dem Abend gingen sie damit auf den Großen Stern.

Während dessen fing die fortgegossene Pflanze sich tief unter der Stadt in einer Nische, die aus der Wand eines Abwasserkanals gebrochen war. Eine weiße Ratte fraß sie dort und kroch dann weiter durch das Dunkel. Nach einer Zeit entdeckte sie in einem der Gänge ein kleines Loch, hinter dem ein mächtiges Kabel verlief: die Hauptstromleitung. In dem Augenblick, bevor sie ihre scharfen Zähne in den Isoliermantel schlagen konnte, ging sie zugrunde, denn an jedem anderen Ort als dem Großen Stern und dieser einen Laterne war der Immerschimmer schieres Gift. Als die vielen anderen Tiere den toten Artgenossen sahen, verließen sie den Ort, um niemals wiederzukommen.

Unter der erloschenen Leuchte auf den Großen Stern aber sahen der Mann und die Frau, wie ein ernster schwarzer Vogel kam und sich auf die gusseiserne Haube der erloschenen Laterne setzte, nachdem er zuvor das Zweigstück aus der Hand der Frau in seinen Schnabel genommen hatte. Als erstes fing sein Gefieder an zu schimmern, staubleicht und golden, dann flammte die Laterne wieder auf, und schließlich strahlten die Lichter der Stadt in nie gesehenem Glanz. Daher kommt es, dass die Lichter von Berlin nicht einfach nur schön sind wie die Lichter anderer Städte. Sie sind besonders. Und in dem zutiefst erfrischten Licht begann auch die Liebe zu leuchten. Nun konnten der Mann und die Frau sie endlich sehen und fanden also doch ganz zueinander. Weit in der Ferne rollte die Finsternis sich einstweilen ein zu einem tiefen Schlaf, wie ein riesiges Tier. Die Frau und der Mann küssten sich seidig und zart. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann lieben sie noch heute.

Der Autor Peter Glaser, geboren 1957 in Graz, lebt in Berlin. Für seine «Geschichte von Nichts» gewann er voriges Jahr den Ingeborg-Bachmann-Preis

Сайт http://www.morgenpost.de


Холодная зима,жаркое лето

Сообщение отредактировал Alexander - Воскресенье, 10.08.2008, 13:25
 
Форум » Разное » Афоризмы,поговорки,пословицы » Märchen
  • Страница 1 из 1
  • 1
Поиск:


Copyright MyCorp © 2024
Бесплатный конструктор сайтов - uCoz